Beim Betrachten des neuen Netzplanes des Tarifverbundes Nordwestschweiz stellt man mit Erstaunen fest, dass sein Zeichner offenbar davon überzeugt ist, die S6 würde kurz vor Birsfelden von der Strassenbahnlinie 3 abzweigen, den Rhein überqueren und als Schmalspurbahn via Riehen nach Lörrach fahren (Bild). Aber in Wirklichkeit verkehrt diese Linie auf dem 1862 erstellten und 1913 elektrifizierten Trassee der Normalspurbahn der DB ins Wiesental. Wie auch die Schwesterlinie S5 wird sie im Auftrag der Landesregierung von Baden-Württemberg von der SBB Deutschland GmbH betrieben.
Schon lange wäre eine Verlängerung nach Basel SBB erwünscht. Da aber die heutige Gleisstruktur des Badischen Bahnhofs einen regulären Betrieb nicht zulässt, gab es bis jetzt noch nie fahrplanmässig durchgehende Züge (Bild). Nun wurden aber dennoch wöchentlich zwei direkte Zugspaare - wenn auch jeweils nach Mitternacht verkehrend - in den Fahrplan 2005 aufgenommen. Die Erstfahrt in der Nacht auf Samstag, 18.12.2004, wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Sie begann sekundengenau um 00:35 ...
... im schlafenden Zell (Bild) und rein nichts deutete darauf hin, dass den unterwegs zusteigenden Nachtschwärmern die epochale Bedeutung dieser S6 83123 bewusst geworden wäre. Dazu mag beigetragen haben, dass der Zug bis zum Badischen Bahnhof - mit vier Ausnahmen im Jahr - täglich verkehrt. Die meisten Fahrgäste verliessen die dreigliedrige Komposition - in der Schweiz NPZ oder Kolibri genannt - schon nach wenigen Stationen wieder. Und bald einmal war abzusehen, dass wohl niemand ausser mir im Sinne hatte, seine Fahrt bis über die Grenze zur Schweiz fortzusetzen.
Tatsächlich leerten sich die Wagen im nachts noch trostloser als tagsüber wirkenden Bahnhof Lörrach (Bild); und der Halt im schweizerischen Riehen, wo - falls man den Fahrkartenautomaten an der Busstation* verwendet - neu auch mit TNW-Fahrscheinen zu drei Franken statt den obligaten 2.40 Euro zugestiegen werden dürfte, wäre gar nicht erst nötig gewesen. So erreichten wir mit einer Minute Vorsprung das Gleis 9 im Badischen Bahnhof, wo zusätzliche 22 (!) Minuten für Spitzkehre und Umsetzung auf das Gleis 3 eingeplant sind. Wer allerdings der Meinung war, diese dürfe man als Passagier im Zug verbringen, sah sich getäuscht. Vielmehr wurde man ...
... von der Schaffnerin, unterstützt von einem ihrer drei "Bodyguards", in die kalte Winternacht hinaus komplimentiert und hatte das Abfahrtsgleis treppab und treppauf zu Fuss zu erreichen. Wer nicht frieren wollte, musste einen zusätzlichen kurzen Weg über die Zollgrenze in die Bahnhofvorhalle in Kauf nehmen. Dort wo tagsüber die DB ihre "Produkte" zu den aufgedruckten, die Buchhandlung (Bild) aber die ihrigen zu umgerechneten - und damit etwa zwanzig Prozent teureren - Europreisen verkauft, nächtigen auch immer wieder Leute, denen Hotels und sogar die Notschlafstelle zu teuer sind.
Man tut aber gut daran, sich wieder rechtzeitig zum Gleis zurück zu begeben. Das Risiko, bei der erneuten Einreise in den Schengenraum kontrolliert zu werden, ist auch in den Nachtstunden nicht ganz auszuschliessen. Der Zug (Bild) setzte sich wieder pünktlich in Bewegung um nach reichlich bemessenen sieben Fahrminuten sein neues Fahrziel zu erreichen. Planmässig trifft er um 01:40 auf Gleis 1 in Basel SBB ein. Genau zur selben Minute müsste die S3 auf dem benachbarten Gleis 2 - kleiner Scherz der Fahrplangestalter - nach Laufen losfahren. Dank einem "Turnschlappen"-Spurt ...
... gelang mir sogar noch ein Foto des ausfahrenden Kolibris (Bild; danke übrigens für den Gruss mit dem Scheinwerfer). Nun machte ich mich auf die Suche, ob doch noch irgendwelche Prominente zumindest in der Gegenrichtung an der Erstfahrt teilnehmen würden. Immerhin hatten ja einige Politiker am Sonntag zuvor in Luzern den Zug mit Abfahrt um 05:55 nach Bern benutzt, um bei Aarburg die Eröffnungsfahrt über die sogenannte "Kriegs-Schlaufe" mitzuerleben - aber vor lauter Nebel dann doch nichts gesehen.
Ob die dezidierte Frau Heute-Bluhm aus Lörrach, der angriffige Herr Dietz aus Weil und der sonst omnipräsente Herr Lewin aus Basel nur nicht mitgefahren sind, weil sie den Zug nicht fanden, da die elektronische Anzeige mit der neuen Zugsdestination offensichtlich Probleme bekundete (Bild)? Bis zum zeitlich - und auch finanziell - noch weit entfernten Ziel, dass S4 und S6 abwechselnd nach Basel SBB pendeln werden, dürfte dann wohl die Anzeigepanne behoben sein. Vielleicht schafft man das sogar noch bevor in wenigen Monaten die "Kolibris" durch die neuen "Flirts" ersetzt werden.
Die Abfahrtsanzeige auf Gleis 1 zeigte jedenfalls das Ziel der Fahrt korrekt an (Bild). Da die Rückfahrt nicht über Riehen sondern über Weil am Rhein führt, heisst der Zug übrigens folgerichtig S5 83122, obwohl er nicht bereits in Steinen endet, wie dies der elektronische Fahrplan der SBB noch vor wenigen Tagen behauptete. Und wenn dann auch gelegentlich all der Plunder verschwindet, der den Zugang zu dem bisher meist nur für das Abstellen von Schlaf- und Postwagen verwendeten Gleis behindert, würde das auch die Passagiere tagsüber erfreuen. Immerhin kann auch schon für die Erstfahrt ein erster Erfolg vermeldet werden; gegenüber der Hinfahrt verdoppelte sich die ...
... Passagierzahl auf der Rückfahrt zum Badischen Bahnhof. Die rund 200 Sitze (Bild) musste ich mit einem Herrn teilen, der den Nachtzug von Italien nach dem Ruhrgebiet benutzen wollte. Ob er das wohl durfte? Gemäss neuem Fahrplan hält der Basel SBB schon immer links liegen lassende frühere D 300 ja nach der Aufwertung zum NZ auch im Badischen Bahnhof nicht mehr zum Einsteigen an!
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Seit 6.Juni 2005 steht nun in Riehen ein SBB-Automat zur
Verfügung, der nicht nur das Lösen von Tickets mit Schweizer Geld - und mit
Karten - nach Basel sondern auch in die übrige Schweiz erlaubt.
... und als logische Fortsetzung zu diesem Bericht:
"Bitteschön, wo geht's denn hier zum Bahnhof ... ?"
